„An Radwege wird viel zu wenig gedacht“ 7. September 202014. Februar 2023 Der Grünen-Verkehrsexperte Markus Büchler spricht im Interview mit dem Merkur über die Bedingungen für Radfahrer*innen im Landkreis. Landkreis – Neue Radwege bei Aying und Putzbrunn, eine schnelle Radverbindung von Oberhaching durch den Forst, Pilotschnellwege im Norden, Gemeinden, die sich als fahrradfreundlich zertifizieren lassen – es tut sich was beim Thema Radverkehr im Landkreis. Oder täuscht der Eindruck? Wir haben nachgefragt bei Markus Büchler, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Oberschleißheim, Verkehrsexperte und selbst leidenschaftlicher Fahrradfahrer. Momentan geht richtig was voran, oder? Es geht tatsächlich was weiter. Das ist erfreulich. Allerdings muss man dazu sagen, auch wenn der Landkreis München bayernweit leuchtendes Vorbild ist, geht es beim Radverkehr im absoluten Schneckentempo voran. Radschnellweg im Münchner Norden: Planung läuft seit sechs Jahren Wo zum Beispiel? Zum Treppenwitz etwa verkommt der Radschnellweg im Münchner Norden. Vor sechs Jahren ging die Planung los. Auf einer Strecke, wo es schon einen Radweg gibt. Der nur ausgebaut werden muss. Das Projekt dümpelt rum, obwohl im Landratsamt qualifizierte Leute eingestellt wurden, die einen super Job machen und sich voll reinhängen. Woran liegt es dann? Das Hauptproblem ist, dass die Zuständigkeiten nicht ordentlich geregelt sind. Der Freistaat Bayern sollte sich für Radschnellwege zuständig erklären genauso wie für Staatsstraßen. Das Land hat ganz andere Möglichkeiten, so ein Projekt voranzutreiben als einzelne Kommunen. Aber der Freistaat muss sich halt kümmern um die gemeindeübergreifenden Verkehrsprojekte. Land und Bund tun das bei den Straßen und Eisenbahnen – bei den Radwegen war es bisher egal. Deswegen geht nichts vorwärts. Und in den Kommunen? Die Straßenverkehrsordnung ist bei uns voll auf den motorisierten Verkehr ausgerichtet und auf die Gefahrenabwehr. Sonst gibt es nur Empfehlungen für die Anlage von Radverkehrswegen – mit Maßen und Breiten. Aber die sind bei uns schon veraltet – E-Bikes und Lastenräder sind da noch gar nicht vorgesehen. Und an Empfehlungen muss man sich in Bayern nicht mal halten im Gegensatz zu anderen Bundesländern. Über 60 Jahre haben wir den Autoverkehr immer allen anderen vorgezogen. Andere machen das besser, beispielsweise Kopenhagen oder Wien. Da hat man vor einiger Zeit gesagt, wir brauchen mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer. Mittlerweile sind da halb so viele Autos unterwegs. Neu: Pendeln in die Arbeit mit dem Fahrrad Wo hakt‘s besonders? Früher hat man sich mehr innerörtlich orientiert. Mal einen kleinen Radweg angelegt. Da gibt es zumindest eine rudimentäre Infrastruktur – die allerdings längst nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügt. Was auch neu ist: Das Pendeln in die Arbeit mit dem Fahrrad. Immer mehr Leute machen das. Und man weiß, noch viel mehr würden das machen, wenn die Struktur passen würde. Und die passt nicht. Sprechen Sie da aus eigener Erfahrung? Absolut. Wenn ich von Oberschleißheim zum Landtag radle, ist das streckenweise wunderschön. Dann aber auch Schlammpiste, über Stock und Stein oder wahlweise riesige Umwege, die gefährlich sind. Eigentlich ist es nicht zumutbar. Wo liegt es sonst noch besonders im Argen? Wir haben schlechte Querverbindungen zwischen unseren Umlandgemeinden. Von außen in die Stadt geht ja noch. Wir haben aber festgestellt, dass die Zahl der Pendler innerhalb des Landkreises in den letzten Jahren enorm zugenommen hat. Leute, die zum Beispiel von Garching nach Ismaning müssen. Im öffentlichen Nahverkehr versucht man, die Querverbindungen jetzt mit Bussen zu schaffen. Ganz viele Leute fahren Auto, weil es keine S-Bahn-Querverbindung gibt. Und keine vernünftigen Radwege. Wenn ich von Schleißheim nach Garching will, ist das ein Zickzack-Parcours, der eigentlich nur mit dem Mountainbike zu bewältigen ist. Das ist keine Radverbindung, das ist ein Hindernisparcours. Manche Strecken sind schön, wenn sich zwei Gemeinden gekümmert haben. Aber das sind Einzelfälle. Wir haben die großen Straßentrassen, die immer weiter ausgebaut werden, aber an die Radwege wird viel zu wenig gedacht. Da müssen die Grünen doch Alarm schlagen. Das machen wir. Auf unseren Antrag im Kreistag hin, hatte der Landkreis eine Machbarkeitsstudie beschlossen für einen Radschnellwegring um München herum. Von Radschnellwegen kann man da eh nicht sprechen. Aber eine halbwegs gerade, kreuzungsarme und mit Winterdienst versehene Strecke, die man beschildern kann. Da liegt ein Konzept vor, aber auch schon wieder länger, und es geht viel zu langsam voran. Gibt es besonders vorbildliche Gemeinden? Positiv aufgefallen ist mir die Initiative von Oberhaching und den angrenzenden Gemeinden, die Hauptradroute durch den Forst zur Isar auszubauen. Das haben die einfach in die Hand genommen und machen es. Ohne dass es eine übergeordnete Planung gab. Dieser Pragmatismus ist gut, weil etwas vorangeht. Wie stehen Sie zum Mietradsystem? Eine super Sache. Es gibt zwar einige Menschen, die meinen, das schlechtreden zu müssen. Aber die ersten Auswertungszahlen sind enorm hoch. Und das, obwohl das System noch gar nicht richtig evaluiert werden konnte, weil die letzten Stationen erst im Herbst eingerichtet wurden und dann kam der Winter und Corona. Trotzdem liegen die Zahlen weit über den Erwartungen. Einen Schub wird es noch geben, wenn sich alle Landkreisgemeinden beteiligen und Kinderkrankheiten beseitigt wurden. Etwa, dass man auch im Landkreis wie in der Stadt die Räder überall und nicht nur an den Stationen abstellen kann. Und wenn die Stadt München endlich mal die Mieträder nicht nur in der Innenstadt, sondern auch am Stadtrand aufstellt, dann hätten wir ein durchgängiges Netz vom Stadtinneren bis in die Landkreise hinaus. Von Doris Richter: https://www.merkur.de/lokales/muenchen-lk/unterhaching-ort29619/an-radwege-wird-viel-zu-wenig-gedacht-90037859.html