Dieser Text wurde in gekürzter Version in der Augustausgabe der GRIBS-Mitgliederzeitung veröffentlicht.
Der Bundesgesetzgeber hat die Straßenverkehrsordnung reformiert. Sein Ziel ist, den Kommunen mehr Handlungsmöglichkeiten für Verkehrsberuhigung einzuräumen. Das betrifft Tempo 30, Zebrastreifen, aber auch Fuß- und Radwege, Busspuren, Parkplätze und anderes. Damit soll mehr Lebensqualität in den Kommunen geschaffen und Verkehr sicherer gemacht werden. Insbesondere für Kinder, Radfahrende und Senior*innen.
Diese Änderung ist ein großer Erfolg der Grünen in der ehemaligen Ampelregierung. Zwar wollten wir viel weitergehende Freiheiten für die Kommunen. Leider konnten nur kleine Verbesserungen erreicht werden, auch aufgrund des Widerstands der CSU im Bundesrat, dessen Zustimmung für die Änderung erforderlich war. Dazu haben Bundestag und Bundesrat das Straßenverkehrsgesetz StVG, die Straßenverkehrsordnung StVO und die entsprechende Verwaltungsvorschrift VwV-StVO geändert. Auch wenn Bayern angekündigt hat, die neuen Möglichkeiten noch per „Innenministeriellem Schreiben zu konkretisieren“, also mutmaßlich einengen zu wollen, können Kommunen jetzt an vielen Stellen aktiv werden. Aber nicht überall! Weiterhin kann eine Kommune nicht frei wählen, wo sie welche Verkehrszeichen anordnet, sondern ist an enge Vorgaben gebunden.
Die meisten Fragen bei uns im Abgeordnetenbüro drehen sich um Tempo 30. Daher fangen wir damit in folgender Auflistung an. Wichtig zu wissen ist zunächst, dass Tempo-30-Zonen (eckiges Schild) in Wohngebieten schon jetzt von den Kommunen ohne großen Begründungsaufwand ausgewiesen werden. Allerdings gibt es einige einschränkende Regeln in Tempo-30-Zonen: In einer solchen Zone kann es keine Vorfahrtsstraßen, keine Kreis-, Staats-, Bundesstraßen und keine benutzungspflichtigen Radwege geben, es gilt rechts vor links, und ein paar weitere Beschränkungen. Hier ändert sich durch die StVO-Reform nichts! Änderungen gibt es aber bei streckenbezogenem Tempo 30 (rundes Schild) auf Hauptstraßen (Vorfahrtsstraßen, Kreis-, Staats-, Bundesstraßen).
Streckenbezogenes Tempo 30: kann auf übergeordneten Straßen vereinzelt leichter angeordnet werden.
Die Voraussetzungen bleiben aber sehr eng begenzt, umstritten und kompliziert. Leider, denn wir Grüne treten ein für Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit (statt 50 als Normalfall).
Bereits seit einigen Jahren gibt es die Vorgaben, dass in unmittelbaren Bereichen bei sensiblen Einrichtungen (Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern) unter bestimmten Voraussetzungen („direkter Zugang zur Straße“) in der Regel Tempo 30 anzuordnen ist – ohne, dass eine besondere Gefahrenlage nachzuweisen ist, jedoch ggf. zeitlich beschränkt (z.B. Schulzeiten).
Neu ist: Tempo 30 kann nun auch an Spielplätzen, an hochfrequentierten Schulwegen, an Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und an Zebrastreifen angeordnet werden. Darüber hinaus können nun auf Hauptverkehrsstraßen Lücken zwischen einzelnen bestehenden Tempo-30-Abschnitten auf bis zu 500m geschlossen werden. Bisher lag das Maximum bei 300 Metern.
Dem Fuß- und Fahrradverkehr sollen angemessene Flächen bereitgestellt werden.
Das ist neu und kann begründet werden, um den Zielen des Umwelt- und Klimaschutzes, der Gesundheit sowie der städtebaulichen Entwicklung zu entsprechen. So können beispielsweise Fahr- oder Parkspuren leichter zu Rad- oder Gehwegen bzw. Fahrradstraßen etc. umgewandelt werden. Und beispielsweise auch Fahrradständer auf bisherigen Parkplätzen. Die Abwägung der Interessen unterschiedlicher Verkehrsarten, insbesondere des Kraftverkehrs und des öffentlichen Verkehrs bleibt jedoch bestehen.
Zebrastreifen: So genannte Fußgängerüberwege können leichter angeordnet werden.
Dafür muss keine besondere Gefahrenlage mehr nachgewiesen werden. Kommunen können präventiv und vorausschauend handeln, statt erst schwere Unfälle an bestimmten Orten abwarten zu müssen, um einen Zebrastreifen anzuordnen. Das hilft allen Menschen, vor allem aber Kindern, älteren Personen und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, um sicher eine Straße überqueren zu können.
Antragsrecht: Kommunen haben ein Antragsrecht bei übergeordneten Straßen.
Auf Kreis-, Staats- und Bundesstraßen ist bei kreisangehörigen Kommunen meist das Landratsamt die zuständige Straßenverkehrsbehörde. Neu ist in diesen Fällen, dass diese Kommunen ein ausdrückliches Antragsrecht haben und ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu ihrem Vorhaben.
Bussonderfahrstreifen können leichter angeordnet werden.
Das ist besonders interessant für unsere Großstädte.
Bewohnerparkzonen können schon bei zu erwartendem Parkdruck ausgewiesen werden.
Der bisherige aufwendige Nachweis erhöhten Parkdrucks ist nicht mehr erforderlich.
Ladebereiche: Ein bundeseinheitliches Zeichen wurde eingerichtet.
Kommunen können nun klar gekennzeichnete Ladebereiche ausweisen. Das ist gerade in Städten mit dichter Bebauung sinnvoll, um das Parken auf Geh- und Radwegen oder auch in zweiter Reihe zu verringern. Denn dies gefährdet Verkehrsteilnehmer*innen und behindert den Verkehr.
Insgesamt gibt es also eine Reihe neuer Möglichkeiten für Kommunen zur Verkehrsberuhigung. Wir Grüne hätten uns sehr viel mehr Flexibilität gewünscht, stehen damit in den Parlamenten aber ziemlich alleine da.
Für Grüne Kommunalos eröffnet sich dennoch ein gutes Thema für eigene Anträge (z.B. Prüfaufträge), Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen. In vielen Fällen ist auch ein neuer Anlauf empfehlenswert, wo bisherige Initiative an der StVO gescheitert sind.
Wichtig: Klug ist, vor dem Start genau hinzuschauen, ob ein Vorhaben realistisch ist, um sich fachlich nicht zu blamieren. Denn oftmals geht auch mit der geänderten StVO leider nichts.
Wenn Ihr Euch unsicher seid: Kontaktiert mich! Mein Team und ich helfen gerne mit einer ersten groben Einschätzung weiter – natürlich juristisch unverbindlich aber erfahren fachkundig.