Steht die „Ampel“ bei Mobilität auf Grün?

Wie steht es um den Koalitionsvertrag im Thema Mobilität? Ich habe mir nach der Enttäuschung, dass das Verkehrsministerium nicht von eine*r Grünen Minister*in regiert wird, den Vertragstext genau angeschaut. Nachfolgend meine Einschätzung zu den wichtigsten Punkten als Sprecher für Mobilität von Bündnis 90 / Die Grünen im Bayerischen Landtag. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Ampel will einen Aufbruch in der Mobilitätspolitik und Schiene, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr ausbauen. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zum Erreichen der Klimaziele geleistet werden. Das Ziel ist richtig, denn der Verkehrsbereich ist im Klimaschutz ein großes Sorgenkind. Hier sinken die CO2-Emissionen bislang nicht sondern steigen sogar an.
Inwieweit der Aufbruch in eine neue Mobilitätspolitik mit einem FDP-geführten Ministerium gelingen kann, bleibt abzuwarten und in den nächsten vier Jahren bei allen Entscheidungen und Maßnahmen auszuhandeln.

Öffentlicher Verkehr

Gut finde ich, dass der Schienenverkehr massiv ausgeweitet und die Verkehrsleistung verdoppelt werden soll. Die alte Regierung hat nur von einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen gesprochen – das ist ein großer Unterschied. Die Fahrgastzahlen steigen nur, wenn das Angebot passst. Den Fokus daher auf die Verdoppelung des Angebots zu legen, ist daher folgerichtig.

Mehr Städte sollen im Rahmen des Deutschlandtakts Anschluss an den Fernverkehr bekommen, auch wo das laut DB nicht eigenwirtschaftlich ist. Sehr sinnvoll, genauso das Ziel eines europäischen Nachtzugnetzes.

Schade finde ich, dass die Reform des DB-Konzerns nicht umfassend angegangen werden kann. Hier hat die SPD blockiert. Es bleibt beim integrierten Konzern, auch ein Verkauf der Auslandstöchter ist nicht explizit vereinbart. Allerdings soll das Schienennetz am Gemeinwohl, Verkehrswachstum und Resilienz ausgerichtet werden und nicht mehr, wie bislang an der Gewinnerwirtschaftung. Ein sehr wichtiger Schritt.

Aus landespolitischer Sicht freue ich mich, dass die Regionalisierungsmittel erhöht werden sollen, wenngleich in nicht genauer benannter Höhe. Hier brauchen wir nicht nur eine kleine Anhebung sondern einen großen Sprung nach oben, denn die Kostenentwicklung im SPNV weist schnell nach oben und wir wollen den SPNV deutlich ausweiten. Dass ein flächendeckender ÖPNV organisiert werden soll und dazu Bund, Länder und Kommunen eine gemeinsame Strategie entwickeln sollen, lässt für das im Bereich ÖPNV besonders auf dem Land äußerst rückständige Bayern hoffen.

Motorisierter Individualverkehr

Dass die FDP das allgemeine Tempolimit auf Autobahnen blockiert hat, finde ich extrem ärgerlich und enttäuschend. Ebenso, dass die Pendlerpauschale und die Dienswagenvergünstigung sowie weitere klimaschädliche Subventionen erhalten bleiben. Das war mit SPD und FDP nicht änderbar.

Deutschland soll zum Leitmarkt für Elektromobilität werden, bis 2030 sollen in Deutschland 15 Mio. Pkw elektrisch fahren. Das ist gut, solang der Straßenverkehr insgesamt deutlich weniger wird und nicht durch einen Elektro-Boom womöglich noch angekurbelt wird. Eine Antriebswende reicht nicht, wir brauchen dringend eine Verschiebung des „modal splits“, also der Anteile der Verkehrsmittel am Verkehrsaufkommen zugunsten von Fuß, Rad, Bus und Bahn. Das ist nicht nur für den Klimaschutz entscheidend sondern auch für die Lebensqualität in unseren Städten und Orten.

Erfreulich ist die Absicht, dass künftig deutlich mehr in die Schiene als in die Straße investiert werden soll. Ebenso der Vorrang der Bestandssanierung vor Neu- und Ausbau. Wenn der Vorsatz ernst gemeint ist, dann wird für den Straßenaus- und -neubau nicht mehr viel Spielraum sein. Das wäre ein riesiger Erfolg für den Klimaschutz und im Kampf gegen Flächenverbrauch und Naturzerstörung. Das Straßennetz in der BRD ist in meinen Augen fertig ausgebaut, weitere Aus- und Neubauvorhaben sind bis auf Weiteres nicht nötig. Ein Moratorium im Straßenbau habe ich mir für den Koalitionsvertrag sehr gewünscht – leider steht dies nicht im Vertrag.

Gut ist hingegen, dass der Bundesverkehrswegeplan 2030, der Deutschland mit einer Unzahl neuer Straßenbauvorhaben überziehen will, neu gemacht wird. Es soll künftig ein BundesMOBILITÄTSplan werden. Das klingt vielversprechend, entscheidend wird die konkrete Ausgestaltung sein. Das Projekt muss schnell beginnen. In meinen Augen sollte der neue Verkehrsminister alle Straßenausbauvorhaben bis dahin auf Eis legen.

Positives gibt es aus dem Bereich Maut. Die „Ampel“ will eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut, den gewerblichen
Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen. Besonders erfreulich: die Mehreinnahmen werden nicht nur für den Straßenbereich sondern für „Mobilität“ eingesetzt. Was das konkret bedeutet, bleibt auszuhandeln. In meinen Augen wäre eine erhebliche Anhebung der Maut wichtig um den Preisdruck auf den konkurrierenden Schienengüterverkehr zu vermindern.

Fuß- und Radverkehr

Der Fußverkehr soll strukturell unterstützt und erstmals eine nationale Fußverkehrsstrategie aufgelegt werden. Sehr sinnvoll! Ebenso erfreulich: Der Nationale Radverkehrsplan soll umgesetzt und finanziert werden um Deuschland bis 2030 zu einem Fahrradland zu machen mit deutlich gestiegenem Anteil des Radverkehrs.

Damit das auch vor Ort in den Kommunen Realität werden kann, soll die Straßenverkehrsordnung StVO angepasst werden. Dort sollen zeitgemäße Ziele im Umwelt- und Klimaschutz sowie Gesundheitsschutz und städtebauliche Entwicklungsziele Eingang finden. Damit sollen Kommunen mehr Entscheidungsspielräume zur Gestaltung des Verkehrs vor Ort bekommen. Wenn das umgesetzt ist, knallen bei mir Sektkorken, denn aus unzähligen Ortsterminen in ganz Bayern und aus eigener Erfahrung vor Ort in der Kommunalpolitik weiß ich, wie sehr die autozentrierte, völlig aus der Zeit gefallene StVO die Kommunen hindert, mehr Lebensqualität, Sicherheit und Lärmschutz umzusetzen.

Flug und Lärm

Abschließend ein Blick auf den klimaschädlichen Flugverkehr. Ziel ist immerhin eine europaweite Luftverkehrsabgabe mit deren Einnahmen die Flugtreibstoffe klimaneutral gemacht werden sollen. Um Preisdumping zu unterbinden soll verhindert werden, dass Tickets zu einem Preis unterhalb der Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren verkauft werden dürfen. Der große Wurf ist das aufgrund des Widerstands von SPD und FDP leider nicht.

Leider konnte auch kein Rechtsanspruch auf Lärmsanierung oder niedrigere Lärmgrenzwerte durchgesetzt werden.

Zusammenfassung

Das Ergebnis bei der Bundestagswahl für Bündnis 90 / Die Grünen beträgt 14,8 Prozent. Der Koalitionsvertrag ist Ergebnis der Verhandlungen von drei Parteien, mit höchst unterschiedlichen verkehrspolitischen Zielen. Es ist ein Kompromiss, in dem sich jede Partei wiederfindet. Das ist das Wesen eines Kompromisses.

Für den „Aufbruch“ in der Mobilitätspolitik, der die Pariser Klimaschutzziele erreicht, müssen die im Vertrag enthaltenen Punkte zeitnah und umfassend umgesetzt werden und weitere Anstrengungen unternommen werden. Die Richtung erster Schritte stimmt, um aber vom Auto und Flieger wegzukommen, muss noch sehr viel mehr passieren. Wir Grüne bleiben der Motor für die Verkehrswende – auch in dieser hoffnungsvollen Koalition!