MVV-Tarifrefom: Kein großer Wurf aber richtiger Schritt

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Jahrelang wurde an der groß angekündigten MVV-Tarifreform gebastelt. Nun kann sie mit einem halben Jahr Verspätung zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 umgesetzt werden.

Ist das nun eine gute Nachricht? Es gab bekanntlich viel Lob aber auch ätzende Kritik an der Reform.

Zunächst: Der ganz große Wurf, der den ÖPNV im Raum München nach vorne katapultiert hätte, ist es nicht. Es ist eher eine kleine Reform. Ein Reförmchen, das einige Vereinfachungen und einige Kostensenkungen bietet. Dem Verkehrsinfarkt, der auf Straße wie Schiene gleichermaßen immer öfter im Berufsverkehr eintritt, wird man damit nicht beikommen. Es fehlen mutige Schritte nach vorne, wie ein Flatrate-Ticket à la Wien, elektronische Tarife oder andere radikale Vereinfachungen für die Nutzerinnen und Nutzer wie z.B. mit der Oystercard in London. Unabhängig vom Tarif fehlt es ohnehin an einem gründlichen, milliardenschweren Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur, der seit Jahrzehnten von der CSU-Staatsregierung und den SPD-Oberbürgermeistern Münchens verschlafen wurde.

Man muss allerdings auch sehen, dass bei dieser Reform fast niemand schlechter gestellt wird, Hunderttausende aber wesentlich günstigere Tickets bekommen. Nicht zuletzt deshalb, weil der Freistaat 35 Millionen Euro beisteuert, was er bislang nicht getan hatte. Im Durchschnitt aller Tickets sinken die Preise um 7%. Wer die Reform ablehnt, hat zu verantworten, dass alle MVV-Nutzer im Ballungsraum München die 7%-Ersparnis nicht bekämen, sondern vermutlich eine der üblichen Preisrunden nach oben auf Basis des alten, komplizierteren und kundenunfreundlicheren Tarifs. In Summe also führen die Leute ohne die Reform rund 10% teurer als mit der Reform.

In der Diskussion um die Reform wurde vom Ministerpräsidenten Markus Söder ein 365-Euro-Ticket wie in Wien ins Gespräch gebracht. Das wäre eine großartige Sache. Um 1 Euro pro Tag im ganzen MVV fahren, so weit und so oft man will. Erfunden haben sie wir Grüne. Umgesetzt haben es bereits die österreichischen Grünen, die in Wien und in Vorarlberg regieren. Dort kann man dieses Ticket schon kaufen. In der Folge haben in Wien inzwischen mehr Leute ein 365-Euro-Jahresticket als ein Auto. Der Autoanteil in Wien ist halb so hoch wie in München und Wien ist unlängst auch aus diesem Grund zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt worden. Gerne hätten wir dieses Ticket auch bei uns. Allerdings muss man zwei Dinge sehen: Erstens ist der Verbundraum in Wien sehr viel kleiner als der MVV. In der Relation müsste man beim MVV eher 1 Euro pro Tag im Innenraum und 2 Euro für das Gesamtnetz ansetzen, was aber auch ein riesiger Fortschritt wäre! Zum zweiten ist zu beachten, dass Österreich in den letzten Jahrzehnten Milliarden in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel investiert hat und seine Systeme auf einem zeitgemäßen High-Tech-Stand hält. In Bayern hingegen hat die CSU-Staatsregierung dies verschlafen und wir haben hoffnungslos veraltete Systeme, die weit jenseits der Kapazitätsgrenze betrieben werden müssen. Das ist der Grund für die katastrophale Leistung der S-Bahn, insbesondere auf der Flughafenlinie S1 und den diversen eingleisigen Außenästen. Verspätungen, Überfüllung, Schmutz, fehlenden Anzeigen und Durchsagen usw. usf. – ein unwürdiger Zustand für einen angeblichen Hightech-Staat, insbesondere wenn man den Vergleich zu unseren Nachbarn Österreich oder der Schweiz kennt. Dort geht es so viel besser.

Insofern haben wir großen Handlungsbedarf, der weit über diese kleine Tarifreform hinausgeht. Im Landtag wollen wir Grüne uns darum kümmern, aus der Opposition heraus Druck auf die Staatsregierung aufzubauen, für einen besseren ÖPNV in ganz Bayern.

Dr. Markus Büchler MdL, Sprecher für Moblität der Grünen im Bayerischen Landtag und Kreisrat im Landkreis München