Streckenreaktivierungen: mehr Anstrengungen nötig

Bericht aus dem Landtag

Die grüne Fraktion im Bayerischen Landtag setzt sich konsequent für eine flächendeckende Verbesserung des ÖPNV ein. Dazu gehört auch in besonderem Maße der Schienenverkehr (SPNV). Eine der Maßnahmen zur Verbesserung des Angebots ist die Reaktivierung vorhandener Bahnschienen und die Wiedereinbindung in den örtlichen Nahverkehr.

„Für einen zuverlässigen, belastbaren ÖPNV und für den Stundentakt bis aufs Land brauchen wir einen gut ausgebauten, modernen SPNV. Die Schiene ist das Rückgrat, denn eine starke Schiene macht einen engmaschigen Ausbau des ÖPNV erst möglich. Reaktivierungen stillgelegter Strecken sind dafür ein ganz einfacher Schritt, der viel bewirkt.“

Markus Büchler, Sprecher für Mobilität der Grünen im Bayerischen Landtag

Dafür haben die Grünen zwei Anträge in die letzte Sitzung des Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr eingebracht.

Antrag 1: Reaktivierungskriterien überarbeiten

Bisher gelten für die Reaktivierung von strenge Kriterien, die die Wiederaufnahme des Betriebes eher behindern als fördern. Daher haben die Grünen einen Antrag eingereicht, der am 10.11.2020 im Ausschuss für Wohnen, Bau und Vekehr behandelt wurde, mit der Forderung, die Kriterien zur Reaktivierung anzupassen.

Besonders eindimensional und hinderlich zur Messung der Wirtschaftlichkeit ist das sog. „1000er-Kriterium, d.h. dass mehr als 1000 Reisende pro Werktag zu erwarten sind (1000 Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke). Es hatte ursprünglich zum Ziel, eine aufwendige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung entbehrlich zu machen. Das Kriterium lässt aber außer Acht, ob es sich um eine Strecke im Ballungsraum oder im ländlichen Raum handelt. Dabei gibt es selbst auf einigen von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) bestellten Streckenabschnitten in Bayern weniger als 1000 Reisenden pro Werktag.

Auch die Enquetekommission des Landtags zur Förderung des ländlichen Raumes hat sich in der letzten Wahlperiode mit dem Thema auseinandergesetzt. In ihrem Bericht vom Februar 2018 gibt die Kommission folgende Empfehlung:

„Das für die Streckenreaktivierung vorausgesetzte Kriterium ‚Mindestzahl von Fahrgästen‘ sollte überprüft werden und durch andere Kriterien zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit ergänzt werden.“

Auch die Bedingung, dass die Infrastruktur ohne Zuschuss des Freistaates in einen Zustand versetzt werden muss, die einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht, ist ein Bremsklotz: Bei zu reaktivierenden Strecken ist der Infrastrukturzustand oft dringend sanierungs- und modernisierungsbedürftig. Die Investitionen in die Infrastruktur sind von Dritten nicht immer allein – ohne Hilfe des Freistaates – zu stemmen. Selbst eine Bestellgarantie der BEG ist keine Garantie dafür, dass Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Infrastruktur herrichten können.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) nennt u.a. folgende weitere Kriterien, die für eine Reaktivierung herangezogen werden können:

  • Die  Erschließung  weiteren  Fahrgastpotenzials  durch  Verlängerung  bestehender SPNV-Linien („Erweiterungsfunktion“)
  • Die Erschließung einer bisher vom SPNV unterversorgten Region zur Herstellung eines besseren Grundangebotes im öffentlichen Verkehr („Erschließungsfunktion“)
  • Die verbesserte Durchführung des Güterverkehrs („Güterverkehrsfunktion“)
  • Die Verbesserung der Stabilität des Betriebs („Resilienzfunktion“)
  • Die bessere touristische Erschließung einer Region („Touristikfunktion“)

Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Hessen haben ihre Kriterien bereits angepasst. Der Antrag wurde von der Regierungsmehrheit abgelehnt.

Antrag 2: Bericht der Staatsregierung  und Fachgespräch über Verzögerung bei anstehenden Streckenreaktivierungen

In diesem Zusammenhang hat der Verkehrsausschuss in seiner Sitzung am 10.11.2020 beschlossen, zu einem Bericht und Fachgespräch mit Vertreter*innen der Staatsregierung und der betroffenen Unternehmen einzuladen, da sich die Betriebsaufnahme bei mehreren zur Reaktivierung anstehenden Eisenbahnstrecken verzögert. Sie können nicht zu den ursprünglich geplanten Terminen beginnen, weil die Infrastrukturen nicht rechtzeitig fertig werden.

Die betroffenen Strecken sind Gessertshausen─Langenneufnach, Dombühl─Wilburgstetten und Burglengenfeld─Maxhütte─Haidhof.

Dabei sollen insbesondere die folgenden Fragen beantwortet werden:

  • Wann sollte auf den Strecken der Betrieb aufgenommen werden?
  • Wann ist mit Betriebsaufnahmen auf den Strecken zu rechnen?
  • Warum  konnten  die  Eisenbahninfrastrukturunternehmen  ihre  Infrastrukturen  nicht rechtzeitig herrichten?
  • Welche  Lehren  zieht  die  Bayerische  Eisenbahngesellschaft  aus  den  verspäteten Betriebsaufnahmen?

Der Antrag wurde angenommen.

Anträge im Wortlaut

Antrag 1 (abgelehnt)

Antrag 2 (mit kleinen Änderungen bezüglich „Fachgespräch“ am 10.11.2020 angenommen)